G&G Hawk
Die beiden Brüder Grant und Gavin Hawk, Messermacher aus dem US-amerikanischen Idaho, gelten völlig zu Recht als die verrückten Genies der Szene. Ihre Messerdesigns sind oftmals von technischen Details und Spielereien geprägt, insbesondere von ausgefeilten Öffnungsmechanismen. Das heißt nicht, dass sie kein Auge für das Praktische hätten – ihr M.U.D.D. Knife beispielsweise wurde entworfen, um auch in schmutzigem Zustand noch gut zu öffnen zu sein und buchstäblich keinen Sand ins Getriebe zu bekommen. Meistens aber beeindrucken Messer aus dem Hause G&G Hawk eher durch eine auffällige Mechanik – und einen Preis in den deutlich gehobenen Lagen.
Wie passt das nun zu dem von der Heinr. Böker Baumwerk GmbH vertriebenen Griploc, einem von G&G Hawk entworfenen Folder in einer unteren mittleren Preisklasse?
Die Griploc-Mechanik
Zunächst einmal zum Griploc selbst: Die Besonderheit dieses Messers liegt – wie bei G&G Hawk zu erwarten – in der Mechanik. Das Messer hat sowohl Frontflipper als auch beidseitige Daumenpins ist mit und ohne Assisted Opening erhältlich, wobei die Assist-Feder relativ sanft unterstützt. Beide Varianten zeichnen sich durch eine Art Wippe an der Griffinnenseite aus, welche mit der Klinge verbunden ist und die sich beim Öffnen und Schließen bewegt. Die Funktionalität dieser Wippe besteht nun darin, dass sie das Schließen des Messers blockiert, wenn Druck auf sie ausgeübt wird. Dazu reicht schon ein sehr leichter Druck – wird das Messer nur an der Wippe zwischen Daumen und Zeigefinger gehalten, ist das schon ausreichend, die Klinge gut zu sichern.
Wer sich nun im Waffenrecht ein wenig auskennt, der mag schon ahnen, warum Böker dieses Messer so veröffentlicht hat: Es ist einhändig zu öffnen, und wäre es einhändig feststellbar, so wäre es nicht mehr §42a-konform. Die „Griffwippe“ ist aber alles andere als eine klassische Feststellarretierung und damit eher legal als Liner- oder Backlock – und trotzdem ist das Messer, solange es gehalten wird, gegen unbeabsichtigtes Zuklappen geschützt. Eine Lösung, die nicht einer gewissen Genialität entbehrt – wie von G&G Hawk zu erwarten war.
In der Variante, die ich gekauft habe, besitzt das Griploc neben dieser Sicherung noch über einen klassischen Verschluss hinten an der Fangriemenöse. Hier ist ein kleines Zahnrad, welches man nach vorne drehen kann, um die Klinge vollständig festzustellen. Direkt nach dem Kauf stand bei mir das Messer danach absolut fest – inzwischen, nach mehreren Jahren der Nutzung, hat die Klinge aber leicht Spiel nach unten, wenn sie nur von dieser Arretierung gehalten wird.
Maße und Material
Mit einer Klingenlänge von 8,3 cm bei 19 cm geöffneter Gesamtlänge ist das Griploc ein mittelgroßer Folder, wenn auch ein relativ dicker und breiter, der sich in der Hosentasche durchaus abzeichnet. Der Clip ist funktional und hält mit seiner Länge und Breite das Messer gut in Position. Das Gewicht von 85 Gramm ist erfreulich niedrig (und war für mich eins der Hauptargumente zum Kauf) und wird mit dem konsequenten Einsatz von Aluminium als Griffmaterial erreicht. Hinsichtlich der Klinge hat sich Böker für den japanischen AUS-8 entschieden, einen nicht besonders schnitthaltigen Budget-Stahl, der in dieser Preisklasse durchaus noch üblich ist. Mit D2 hätte mir das Messer aber wahrscheinlich noch deutlich besser gefallen, und selbst der ähnlich preiswerte klassische Sandvik-Stahl wäre hier noch ein Upgrade gewesen.
Verarbeitung und Schliff
Das Griploc hat eine fast 3 mm dicke Klinge, die nur dank eines konsequenten Hohlschliffs eine gute Schneidfähigkeit besitzt. Ab Werk kommt das Messer auch sehr scharf; der Klingenstand ist einwandfrei. Die Assist-Variante, die ich besitze, flippt zuverlässig über Pin und Flipper, auch wenn die Klinge mit einem hörbaren Sandpapiergeräusch am Material reibt. Die Formgebung ist angenehm ergonomisch, und der Griff sitzt auch bei schwitzigen Händen erstaunlich fest dank Klingenjimping und guter Zeigefingermulde. Die Kombination aus schwarzem und mattierten Aluminium wirkt edel und bleibt lange erhalten – das Messer hält also durchaus einige Outdoor-Touren aus, ohne dabei viel an Aussehen einzubüßen. Die Klingenschärfe hat leider nicht dieselbe Langlebigkeit. AUS-8 im Hohlschliff tendiert nun einmal recht schnell zum Stumpfwerden, und das Griploc ist von meinen Messern dasjenige, welches wahrscheinlich am Häufigsten meinen Schleifstab küssen musste. Immerhin hat Böker dem Messer eine gute Schleifmulde spendiert.
Praktische Einsatzfähigkeit und Fazit
Nun kommt der Dämpfer für alle, die hier auf ein fast vorbehaltlos gutes EDC-Messer gehofft haben: Laut BKA-Feststellungsbescheid zählt das Griploc (zumindest in der Variante, die ich besitze) als Einhandmesser entsprechend §42a Absatz 1 Nummer 3. Das heißt, es besteht ein Führverbot. Der Feststellungsbescheid begründet nicht exakt, woher dieses Führverbot kommt – ob nun auch die „Handwippe“ als Feststellarretierung gilt oder ob die zusätzliche Arretierung über das Zahnrad den Ausschlag gegeben hat, wird nicht klar. Böker hat das Griploc inzwischen aber ohne diesen zweiten Verschluss neu aufgelegt, so dass ich vermute, letzteres war der Grund. Die exakte rechtliche Situation bezüglich der Neuauflage kenne ich nicht (und ich bin kein Anwalt, und das hier ist ein Messerreview und keine Rechtsberatung), ich nehme aber an, die aktuelle Messerversion ist – wie auch vom Design her geplant – §42a-konform.
Bis auf den meiner Meinung nach untermittelprächtigen Klingenstahl ist das Griploc damit ein absolut solides, mehr als brauchbares Alltagsmesser und – zumindest zum rabattierten Preis, den Böker ab und zu anbietet – eine echte Kaufempfehlung für Fans von G&G Hawk.
(BEAN)
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