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Angriff der Klonkrieger: Produktfälschungen im Vergleich

Raubkopien sind ein allgemein bekanntes Problem, nicht nur bei Messern. So mancher hat schon früher verdächtig günstige Markenartikel aus dem Urlaub mitgebracht. Im Zeitalter des Internets ist das Angebot an gefälschten Artikeln immens. Zumal man selbst bei originalen Artikeln mitunter erhebliche Preisdifferenzen finden kann und somit nicht immer direkt anhand des Preises ersichtlich ist, ob es sich um ein Original, oder eine Fälschung handelt. Kennt man sich aus, weis man worauf man zu achten hat. Bestellt man unbedarft im Netz, kann es durchaus passieren dass man unbeabsichtigt eine Fälschung erwirbt. Kommt die Ware zudem aus dem (Nicht EU-) Ausland hat man ggf. einen unangenehmen Weg zum Zollamt vor sich. Ich möchte aber an dieser Stelle nicht auf die rechtlichen Konsequenzen, oder gar den moralischen Aspekt eingehen. Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich beziehe mich im folgendem vor allem auf China, dies soll aber nur als ein Beispiel dienen. Zwar kommen viele Fälschungen tatsächlich aus China, allerdings gibt es genug andere Produktionszentren, sowie für Originale als auch für Fälschungen.

 

Hintergrund

Bei meinen Streifzügen im Internet sind mir selbst natürlich schon oft Fälschungen unter die Augen gekommen. Als ich mich intensiver mit Messern beschäftigte, begann ich deshalb u.a. damit mich mit den Fälschungen auseinanderzusetzen.  Der Grund hierfür war einfach: Kenne ich mich aus, laufe ich weniger Gefahr Fehlkäufe zu tätigen. Zudem interessierte mich die Qualität der Fälschungen. Mir haben diese Kenntnisse bereits geholfen, z.B. habe ich bei einem Auktionshaus ein Messer zu einem ordentlichen Preis ersteigert. Als das das Teil dann ankam konnte ich direkt feststellen, dass es leider nur eine Fälschung war und den Kauf rückgängig machen. Ohne die Kenntnisse hätte ich vermutlich gedacht es sei ein Original, zumal der Preis nicht „verdächtig günstig“ war.

 

Ein kleiner Exkurs

Man muss sich den Umstand bewusst machen, dass viele Markenhersteller ihre Produkte in günstigen Produktionsländern im Auftrag  produzieren lassen. Die wenigsten Unternehmen unterhalten eigene Produktionsstätten in solchen Ländern. Viel mehr sind dort Betriebe ansässig, die einfach im Kundenauftrag und nach Kundenvorgaben fertigen. Als Kunde kann man Waren „von der Stange“ kaufen und diese z.B. mit seinem Logo versehen lassen, oder aber eigene Designs umsetzen lassen. Die Qualität ist ebenfalls variabel. Meist können die Hersteller sehr wohl hochwertig fertigen, lassen sich den Aufwand aber auch entsprechend bezahlen. Unterm Strich kommt es immer nur darauf an, ob man sich auf eine Stückzahl und den Preis einigen kann. Es kommt also nicht selten vor, dass man das gleiche Produkt mit verschiedenen Herstellerlogos zu unterschiedlichen Preisen bekommt. Ein Beispiel? Schaut euch mal das „Eden Modell 106“ und das Sanrenmu Modell 710 genauer an: das gleiche Messer - ein anderer Name. Neben Auftragsarbeiten bieten die Hersteller Produkte mitunter aber auch selbst am Markt unter eigenen Labels an. Dass solche Unternehmen nebenbei noch Plagiate herstellen ist natürlich möglich. Allerdings möchte ich hier auf keinen Fall einem Unternehmen irgendetwas unterstellen. Zumal es gegen die eigenen Interessen eines Unternehmens wäre, lukrative Geschäftsbeziehungen durch so etwas zu riskieren. Fakt ist eben nur, das es Betriebe gibt die Fälschungen herstellen. Und es liegt in der Natur der Sache von Fälschungen, dass die tatsächlichen Hersteller meist im Dunkel bleiben.

 

Hui, ein Schnäppchen bei einem Discounter! Ein originales "Helderbach" Messer, 50% Preisvorteil. Klingt nach einem guten Deal...

...solange man nicht im Internet nachforscht. Dann nehmen wir doch lieber das "Original" Browning für 13,99 €.

Dieses Messer findet man sicherlich auch unter anderem Namen und anderen Preisen. Das hier mehrere Produzenten vorliegen ist unwahrscheinlich. Es wird einfach nach Kundenwunsch gefertigt.

Die Kunst der Fälschung

Da es verschiedene Grade der Produktfälschung gibt möchte ich hierauf ebenfalls noch eingehen. Dies sind meine persönlichen Definitionen und stehen in keinem Bezug zum Markenrecht oder ähnlichem.  Die Grenzen zwischen den einzelnen Gruppen sind fließend und über vieles kann man natürlich diskutieren.

 

Lehnt sich ein Produkt vom Design her nur an ein anderes Produkt an, oder übernimmt nur einzelne Elemente davon, sehe ich das noch als normal an. Designer übernehmen Ideen von anderen Designern. Das Rad neu erfinden kann man eben nicht immer. Ist eine gewisse Eigenständigkeit erkennbar ist, für mich zumindest, alles OK.

 

Wird das Design kopiert oder in weiten Teilen übernommen, allerdings nicht der Markenname, spreche ich von einem „Lookalike“ oder „Klon“.

 

Handelt es sich um eine direkte Kopie inklusive Markennamen ist dies für mich eine Fälschung.

 

Wird nur der Markenname bzw. Logo auf ein anderes Produkt aufgebracht spreche ich von einem „Pseudoprodukt“.

 

Ein Beispiel für einen Klon: Von einem eigenständigen Design würde ich hier nicht sprechen. Trotzdem sind immerhin einige Details und der Name anders.

Auch bei diesem 7€ Messer hier wird der Markenname unauffällig geändert, man beachte allerdings die Griffschalen. Und ja, das Ganze gibt es auch mit dem Markennamen im Netz.

Für das Original muss man auf der gleichen Plattform dann etwa 30 € berappen.

Als Beispiel für ein "Pseudoprodukt" dient das Cold Steel "Black Sable". Für 6,99€ in der Bucht zu finden ist das Teil garnicht mal so schlecht. Witzigerweise habe ich das Messer schon unter einem anderem, sauberen, Namen für ca. 20€ gesehen.

Gut, ein Black Sable von Cold Steel sieht dann geringfügig anders aus, aber das sind natürlich nur kleine Detailunterschiede xD


Der Selbstversuch

Um einen direkten Vergleich zu ermöglichen suchte ich also auf den einschlägigen Plattformen im Internet nach einer Fälschung eines Modells in meiner Sammlung. Letztlich entschied ich mich für das Ontario RAT 1 als Basis des Vergleichs. Das Original verwendet mittlerweile ein neues Logo, die Fälschung das alte Logo. Eine Unterscheidung ist deshalb sehr einfach. Die Fälschung kostet ca. 15 € inkl. Versand. Ich hatte Glück bei einer Auktion und war mit nur 10,60 € inkl. Versand dabei. Die Farbe der Griffschalen ist deshalb eher zufällig, es war zu dem Zeitpunkt einfach die günstigste Auktion. Nach ca. 4 Wochen Lieferzeit lag dann ein Päckchen im Postfach.

 

Das originale RAT-1 in scharz und die Fälschung in "Fruit green". Mein Original hat bereits das neuere Logo.

Auch bei der Verpackung findet sich beim Original das neue Design (oben). Bei der Fälschung (unten) ist noch das alte Logo zu sehen.

Der erste Eindruck

Verarbeitung, Finish, Klingenstand und Klingenlauf…alles war sehr gut, gefühlt fast auf dem Niveau des Originals. An den Griffschalen fand ich eine verschmutzte Stelle, hier hatte ein Arbeiter wohl schmutzige Finger. Ein Merkmal das das man oft bei Fälschungen findet: Die Kanten am Liner und dem Jimping sind sehr scharfkantig.

 

Man sieht hier bei der Fälschung (links) die scharfen Kanten am Liner. Diese sind beim Original (rechts) abgerundet. Dies habe ich bisher bei den meisten Fälschungen bemerkt.

Der Vergleich

Zuhause angekommen kam der interessante Teil: Der direkte Vergleich zwischen Original und Fälschung. Abgesehen von den Logos fällt nun vor allem eines auf: die Fälschung fällt insgesamt etwas größer aus. Der Griff ist etwas länger und die Klinge etwas höher und breiter. Das Ganze ist dann auch entsprechend etwas schwerer. Das Jimping am Klingenrücken ist ebenfalls anders. Die Griffschalen sind beim Original aus einem anderen Material, die Fälschung verwendet G10. Auffällig ist: Die Textur der G10 Griffschalen ist nicht nur Optisch etwas anders, sie ist deutlich griffiger. Die Finger „kleben“ förmlich an der Textur. Abgesehen von den nicht abgerundeten Kanten ist die Verarbeitung tatsächlich sehr nahe am Original. Gravierende Unterschiede gibt es nicht. In der Benutzung stellte ich lediglich fest, dass die Klinge der Fälschung deutlich mehr Widerstand im eingeklappten Zustand hat. Man braucht also beim Öffnen zunächst etwas mehr Kraft, dann läuft die Klinge aber sauber auf. Das "Aufflicken" ist ebenfalls kein Problem. Aufgrund des höheren Widerstands sogar noch etwas einfacher als beim Original. Auch bei der Fälschung läuft die Klinge auf Bronze (oder Messing) Washern. Das sich bei dem verwendeten  Klingenstahl der Fälschung tatsächlich um AUS8 handelt sei mal dahingestellt. Die Klinge ist jedenfalls ähnlich scharf und nach ein paar Gängen über das Leder rasiert sie auch. Einen Langzeittest habe ich allerdings nicht unternommen.

 


Bilder

Der Größenunterschied ist auf den Bildern gut zu erkennen, in der Hand merkt man ihn nicht. Die Griffschalen bei der Fälschung haben eine feinere, aber deutlich griffigere Struktur. Rein verarbeitungtechnisch nehmen sich beide Messer wenig.

Wie sich die Spreu vom Weizen trennt

Nach dem ersten Eindruck wollte ich den Clip umsetzen, da ich die „Tip up“ Trageweise bevorzuge. Leider waren die entsprechenden Löcher nicht mit einem Gewinde versehen. Im Überschwang habe ich dadurch die Schrauben durchgenudelt. Nicht dramatisch, mit Hilfe eines Gewindeschneiders und entsprechender Schrauben ist das Problem schnell behoben. Trotzdem hätten die Fälscher hier ruhig sauberer arbeiten können,  gerade wenn die Löcher ohnehin gebohrt werden. Im Zuge der Aktion stellte ich noch etwas anderes, eher unschönes, fest. Die Konstruktion ist auf Spannung gearbeitet. Zieht man die Schrauben der Griffschalen zu fest an, wird dadurch die Klinge festgeklemmt. Sitzen die Schrauben zu locker, hat die Klinge Spiel. Normalerweise stellt man das Messer über die Achsschraube ein, hier hat diese aber kaum Wirkung. Zwar kann man das Messer über die Schrauben der Griffschale vernünftig einstellen. Aber 6-8 Schrauben einstellen zu müssen ist eben sehr lästig.

 

Fazit

Mit entsprechenden Kenntnissen kann man schnell feststellen, dass es sich um eine Fälschung handelt.  Im Falle des RAT-1 sind es, neben dem alten Logo, vor allem die scharfen Kanten die das Messer als Fälschung identifizieren. Das Fehlen der Gewinde in den hinteren Löchern ist nicht auf den ersten Blick erkennbar, aber ebenfalls eindeutig. Den Größenunterschied stellt man nur fest, wenn man Original und Fälschung nebeneinander legt. Offensichtlich haben die Fälscher hier Bilder als Vorlage benutzt. Die Materialqualität und die Verarbeitung sind aber insgesamt auf einem solch hohen Niveau, dads man hier ohne einen Vergleich kaum einen Unterschied bemerkt. Kennt man sich also nicht aus, tappt man schnell in eine Falle. Wäre es keine Fälschung, wäre ich von dem Messer hinsichtlich des Preis/Leistungsverhältnisses sicherlich nicht enttäuscht.

 


Augen auf beim Messerkauf

An dieser Stelle möchte ich einige Punkte benennen auf die man beim Messerkauf achten sollte. Hat man das Objekt nicht direkt in der Hand kann man teilweise natürlich nur Mutmaßen, aber vor allem die preislich günstigen Fälschungen lassen sich oft enttarnen.

 

Der Preis

Der Preis ist natürlich das erste Merkmal. Ist ein Produkt einfach zu günstig stimmt oft etwas nicht. Bei gebrauchten Artikeln oder Auktionen kann man schon mal ein wirkliches Schnäppchen machen, aber das ist dann doch eher selten.

 

Der Anbieter

Der Artikelstandort bzw. der Sitz des Verkäufers lässt weitere Rückschlüsse zu. Aber es ist kein eindeutiger Indikator für Fälschungen. Es gibt eine Menge Artikel die man z.B. in Asien deutlich günstiger beziehen kann als hierzulande. Das hat erstmal nichts mit Fälschungen zu tun, sondern mit dem Fakt, dass die Artikel dort produziert werden und kurze Wege bzw. wenige  Zwischenhändler vorliegen. Man muss auch neben dem Wechselkurs, die Frachtkosten und die Zollgebühren, sowie die Mehrwertsteuer mit einrechnen. Händler in Deutschland rechnen diese natürlich auf den Artikelpreis drauf und müssen nebenbei auch etwas verdienen. Daher ergeben sich entsprechende Preisunterschiede. Es gibt allerdings Anbieter bei denen es offensichtlich ist. Eine Messer, dass in Italien gefertigt wird findet kaum den Weg nach Asien, um dort dann für 10% des UVP erhältlich zu sein. Und natürlich hat der Shop dann nur dererlei Deals.

 

Das Modell

Man sollte immer überprüfen, ob es das Modell tatsächlich gibt. Es kommt  z.B. vor das, neben direkten Kopien auch Abwandlungen produziert werden. Z.B. gibt es das originale RAT-1 nicht in der „Fruit Green“ Variante. Manchmal findet man auch einen anderen Verschluss oder ähnliches, z.B. ein Backlock beim Original, ein Liner Lock bei der Fälschung. Manchmal wird auch einfach irgend ein Messer mit einem Markennamen versehen, ein Original gibt es nicht.

 

Die Markings

Gelegentlich sind  die Herstellerlogos und die Beschriftungen nicht zu sehen bzw. retuschiert. Ein deutliches Zeichen für eine Fälschung, denn der Markeninhaber könnte evtl. rechtlich gegen den Anbieter vorgehen. Deshalb findet man bei Plattformen wie z.B. Ebay, die Produkte auch selten unter dem eigentlichen Namen. Meist werden dann z.B. Produktcodes verwendet. Im Falle von Spyderco-Fälschungen z.B. C187, C94, C122 usw. Kann man die Herstellerlogos und Beschriftungen erkennen, lohnt sich ein Vergleich mit Bildern seriöser Anbieter. Farbunterschiede sind verdächtig, falsche Schreibweisen (die recht häufig vorkommen) eindeutig.

 

Eigentlich sollte hier "Carey" stehen. Tja, wenn man offensichtlich nur Bilder als Vorlage hat und die Auflösung nicht passt, kann das dem besten Fälscher mal passieren.

Details

Anhand der Produktbilder kann man gelegentlich anhand von Details einiges erkennen. Z.B. ob die verwendeten Schrauben mit dem Original übereinstimmen, oder ob Bohrungen an entsprechenden Stellen sind usw.. Oft wird hier nicht bis ins letzte Detail kopiert. Ein Merkmal das oft bei günstigen Fälschungen zu finden ist, sind die scharfen Kanten an den Linern, dem Jimping usw.. Bei teureren Fälschungen ist dies aber eher selten zu finden.

 

Noch ein kleiner Vergleich

An dieser Stelle möchte ich noch ein paar Vergleichsbilder zeigen. Das Messer mit den schwarzen Griffschalen ist ein originales Spyderco Resilience. Das Messer mit den blauen Griffschalen eine Spyderco Tenacious Fälschung. Hier ist, abgesehen von den scharfen Kanten am Liner und dem Jimping, qualitativ kaum ein Unterschied auszumachen. Das Original ist übrigens ebenfalls aus chinesischer Produktion. Ohne einen direkten Vergleich ist es hier schwer die Fälschung als solche zu erkennen.


Schlussbemerkung

Der Versuch war für mich höchst interessant und aufschlussreich. Neben dem RAT-1 habe ich mir auch andere Produkte angeschaut. Mann entdeckt einen regelrechten Markt für Messerfälschungen. Das Spektrum reicht von Billigprodukten auf die irgendein Name gedruckt wird, bis hin zu relativ teuren Fälschungen die bis in den 100 € Bereich gehen können. Ich beziehe mich hier auf die Internetpreise in Asien. Beim Messerkauf im Internet, aber auch auf Flo- oder Jahrmärkten ist daher Vorsicht geboten. Bei meinen Recherchen ist mir so einiges untergekommen. Vom Jahrmarktverkäufer der Billigware teuer an den Mann bringt (ohne dass es sich unbedingt um Fälschungen handelt), bis hin zum ahnungslosen Privatmann der glaubt ein Original zu besitzen und es dementsprechend bepreist zum Verkauf anzubieten.

 

Kann man eine „gute“ Fälschung als Alternative zum Original empfehlen? Z.B. um ein ansonsten unerschwingliches oder seltenes Messer in seiner Sammlung zu haben. Oder aber als günstige Alternative zum Original? Meiner Meinung nach nicht. Erstmal ist das rechtlich kritisch, zudem  moralisch fragwürdig. Auf diese beiden Aspekte möchte ich, wie bereits erwähnt, nicht näher eingehen. Entscheidend für diesen Bericht ist die Qualität. Hier kann man festhalten, dass die Qualität - gemessen am Preis - durchaus gut sein kann. Marken wie z.B.  Sanrenmu, Enlan oder Ganzo liefern bei vergleichbaren Preisen allerdings eine bessere Qualität ab. Je mehr man investieren möchte desto breiter wird das Angebot, auch von den Marken die gerne gefälscht werden. Bei der Fälschung weiss man auch nicht welche Materialien, insbesondere welcher Klingenstahl, tatsächlich verwendet wurden. Generell macht es deshalb in meinen Augen wenig Sinn, sich bewusst eine Fälschung zu kaufen.

 

(Harald)

 

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